Vom Kind zum Erwachsenen: Transition ist mehr als „bei der einen Tür raus und bei der anderen rein“
Die medizinischen Möglichkeiten im Bereich der seltenen Erkrankungen haben sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Dadurch gewinnen Betroffene an Lebensqualität und – in vielen Fällen – Lebenserwartung. Auch die Transition, also der Übergang von der pädiatrischen (Kinderheilkunde) in die Erwachsenenmedizin, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Weshalb ist der Übergang von der Pädiatrie in die erwachsenenmedizinische Betreuung für junge Menschen mit einer seltenen Erkrankung meist so herausfordernd?
Culen: Transition bedeutet auf sozialer Ebene Abschied nehmen von jenen Menschen, die lange begleitet haben. Gleichzeitig müssen die Patient:innen in der Erwachsenenmedizin nun neue Expert:innen für ihre Erkrankung finden. Im Gegensatz zur Kinderklinik sind diese nicht alle unter einem Dach zu finden. Es gibt also persönliche und strukturelle Hürden. Dazu kommt für junge Betroffene außerdem die Herausforderung des Erwachsenwerdens.
Weigl: Die Betreuung von Kindern erfolgt durch Pädiater:innen, die viel Wissen um die Erkrankung haben und so etwas wie Case-Manager:innen sind. Wenn diese Kinder dann als Jugendliche in die Erwachsenenmedizin wechseln, haben sie oft das Gefühl, plötzlich allein dazustehen.
Was bedeutet es für junge Erwachsene, wenn die Transition in die Erwachsenenmedizin nicht gelingt?
Weigl: Wenn Transition nicht gelingt, kann dies bis zu Depressionen führen. Ich erlebe Patient:innen, die sich allein gelassen fühlen und überfordert sind. Es kommt zu einem Kontaktverlust zu den Ärzt:innen, aber auch zu Familie und Freunden. Wenn damit verbunden die Therapieadhärenz nicht mehr gegeben ist, verschlechtern sich Gesundheitszustand und Lebensqualität.
Welche Auswirkungen hat es auf das Gesundheitssystem, wenn diese jungen Menschen nicht in der Erwachsenenmedizin ankommen?
Culen: Für das Gesundheitssystem wird es teuer! Es kommt zu vermehrten Akutaufnahmen und Spitalsaufenthalten, weil sich gesundheitliche Komplikationen ergeben. Zusätzlich verschlechtert sich die Lebensqualität. Überforderung und Einsamkeit kommen dazu. Es können sich Ängste, depressive Verstimmungen bis hin zu manifesten Depressionen einstellen.
Welche Rolle übernehmen die Eltern bei der Transition?
Culen: Junge Menschen, die von ihren Eltern auf die Transition vorbereitet und begleitet worden sind, kommen besser in der Erwachsenenmedizin an. Sie haben bessere medizinische und psychische Werte. Die Familie spielt deshalb eine sehr wichtige Rolle, auf die sie jedoch vom System zu wenig vorbereitet wird. Standardisierte Transitionsprozesse und Unterlagen für die Eltern wären wünschenswert und erforderlich.
Wie sieht der ideale Transitionsprozess aus?
Weigl: Transition ist mehr als nur „bei der einen Tür raus und bei der anderen rein“. Transition ist ein Prozess, für den es Zeit braucht. Es braucht Zeit für mehrere, auch fachübergreifende, Gespräche. Es sollten gemeinsame Termine mit Pädiater:in, Erwachsenenmediziner:in und Patient:in stattfinden, um schrittweise die Verantwortung zu übergeben. Außerdem sind nicht alle Patient:innen mit 18 Jahren bereit für die Transition. Auch darauf sollte Rücksicht genommen werden. Wie schon erwähnt, müssen darüber hinaus Patient:innen und Angehörige auf den Transitionsprozess vorbereitet werden. Unterstützende Angebote für junge Menschen wären beispielsweise Terminerinnerungen, die über eine App laufen könnten. Auch Selbsthilfegruppen bieten bei der Transition eine wichtige Anlaufstelle.
Welche Strukturen und Ressourcen braucht es für gelungene Transition?
Culen: Es muss den Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik bewusst sein, dass Transition Zeit und finanzielle Mittel braucht. Es braucht Personen, die sich für den Transitionsprozess verantwortlich fühlen. Diese können auch aus dem Pflegebereich kommen. Wichtig ist dabei ein Monitoring der Maßnahmen: Was hat gut funktioniert? Wo müssen wir noch nachbessern? Ein gut ausgearbeitetes Transitionskonzept sollte ein Qualitätsmerkmal einer Gesundheitseinrichtung sein.
Autor: Redaktion Mediaplanet (zum Artikel)